Tourenbericht: Julische Alpen 26. – 31. August 2018

Julische Alpen, mächtigstes Gebirge der südöstlichen Kalkalpen. Da wollte ich lange schon mal hin, ist aber sehr weit zu fahren, für ein Wochenende zu weit. Mein Bruder Josef hat für 2018 eine Tourenwoche in den Julischen ausgeschrieben, die Gelegenheit für mich, endlich auch mal diese Gebirgsgruppe besuchen zu dürfen. Und das nicht als Organisator, sondern als Teilnehmer, d.h. keine Planungs- und Organisationsarbeit, entspannte Teilnahme garantiert. Leider hat mir eine Autorfahrerin einen Strich durch die Rechnung gemacht, als sie meinen Bruder mitsamt Rennrad in den Straßengraben katapultierte. Auf seine Nachfrage, ob ich für ihn einspringen wolle, gab’s kein langes Überlegen. Den groben Ablauf der Woche hatte Josef bereits erledigt, ich musste ‚nur‘ noch die Feinplanung übernehmen. Das erwies sich allerdings nicht immer als einfach, vor allem in sprachlicher Hinsicht. Verständigung auf Deutsch war so gut wie nicht möglich, Italienisch kann ich nicht, meine Englischkenntnisse sind auch nicht mehr die besten. So schlecht sind sie anscheinend aber trotzdem nicht, jedenfalls musste niemand vor der Hütte im Freien schlafen.

Geplant war, zuerst den Montasch in Italien zu besteigen und dann in den Triglav-Nationalpark zu wechseln, um dem Triglav, Sloweniens höchstem Berg, einen Besuch abzustatten.

Da ich noch nicht alle Teilnehmer kannte, begingen wir zum Kennenlernen vorab den Höhenglücksteig bei Hirschbach. Am 25. Juli trafen wir uns dazu an einem dieser heißen Sommertage des Jahres 2018. Wer den Steig kennt kann sich gut vorstellen, dass das abends an der nach Westen ausgerichteten Wand eine schweißtreibende Angelegenheit werden sollte, ein richtiger Härtetest also, den aber alle bestanden haben. Als Belohnung verlegten wir die Tourenbesprechung aufs Frohnbergfest.

Die Teilnehmer: Birgit, Freddy, Gerda, Petra, Sigrid, Vroni, Werner, GeSie
Cordula musste gesundheitsbedingt leider kurzfristig absagen.

Sonntag 26. August: Zu nachtschlafender Zeit ging’s los, schließlich standen über 600 km Autofahrt vor uns. Über München mit dem obligatorischen Stau ging’s weiter nach Salzburg und über die Tauernautobahn nach Villach, weiter über Tarvis in Italien nach Sella Nevea, von dort über eine steile Bergstraße zum Parkplatz in der Nähe der Pecolalm auf 1540 m Höhe. Als wir aus dem Auto ausstiegen, sahen wir tief verschneite Berggipfel. Ein kräftiger Wind mit Sturmböen und Regen empfing uns, ebenso wie eine 2×3 mtr große Werbetafel, die durch den Sturm aus der Verankerung gerissen wurde und an uns vorbeisegelte. Zum Glück war unser Ziel, das Rifugio Alpino G. di Brazza (1660 m) schon in Sichtweite, in einer halben Stunde hatten wir den Zustieg hinter uns. Nachdem der Regen später aufgehört hatte, machten wir noch einen Kurztrip zur Pecolalm auf ein Bier/Wein/Cappuccino.
Das Rif. Di Brazza ist eine kleine, sehr einfache, aber urgemütliche Hütte, bewirtschaftet von einem jungen Geschwisterpaar. Hier wurden wir mit regionaler Küche und dem Blick in die östlichen Dolomiten verwöhnt. Bereits am Abend klarte es auf, der Vollmond beschien nachts eine wunderschön verschneite Berglandschaft.

Montag, 27. August: Bereits gestern hatten wir den ursprünglichen Tourenplan umgedreht. Eigentlich stand für Montag der Montasch auf dem Programm. Wegen des vielen Schnees, in den Gipfelregionen vermutlich 20-30 cm, verschoben wir dessen Besteigung auf Dienstag. Ziel für heute war die Cima di Terrarossa (2420 m). Unter strahlend blauem Himmel stiegen wir höher, ab ca. 2000 m waren wir im Schnee unterwegs, was auf den schmalen ausgesetzten Bändern unsere volle Aufmerksamkeit verlangte. Einige Bergsteiger kamen uns entgegen und berichteten, es sei zu gefährlich, weiter zu gehen. Na ja, kein Wunder, wenn man mit Turnschuhen unterwegs ist. Auf den Gipfelaufbau der Cima di Terrarossa führt ein Klettersteig, was bei der Schneelage vielleicht ein Problem hätte werden können. Auch führte noch keine Spur nach oben. So querten wir die Cima di Terrarosse weiter zur Forca de lis Sieris (2274 m). Die Mittagspause fiel dann recht kurz aus, weil uns ein eisiger Wind um die Ohren pfiff. Auf dem Rückweg weichte der Schnee langsam auf, was erhöhte Vorsicht erforderte. Bevor wir aus dem verschneiten Gelände kamen, meinte Vroni, eine Schneeballschlacht anzetteln zu müssen. Prompt landete sie selbst auf dem Hosenboden, zum Glück nicht im Absturzgelände. Auffallend waren die vielen Tiere – Murmeltiere, Gämsen und vor allem die majestätischen Steinböcke. Mit traumwandlerischer Sicherheit bewegen sie sich in steilstem Felsgelände. Vor Menschen haben sie keine Angst, sie lassen einen bis auf wenige Meter an sich herankommen.

Dienstag, 28. August: Heute stand der Montasch, italienisch Jos di Montasio (2753 m), auf dem Programm. Der Morgen ließ uns staunen, da von dem vielen Schnee vom Vortag nicht mehr viel zu sehen war. Das sonnige Wetter am Montag hat den Schnee ziemlich weggefressen, ob genug, würde sich herausstellen. Zudem hatten wir Zuwachs bekommen. Am Abend zuvor fragte uns ein Einzelgeher, übrigens wohnhaft in Teublitz, ob er sich uns anschließen dürfe. In einer Stunde ging es zur Forca die Disteis (2201 m). Der Findeneggweg quert den Montasch in seiner Südflanke. Schon beim Einstieg zeigte sich, dass wir eine absolut alpine Tour vor uns hatten. Zum Teil sehr ausgesetzte Bänder mit lockerem Geröll erforderten absolut sauberes Gehen. Obwohl in manchen Führerwerken als Klettersteig deklariert, gibt es nur sehr vereinzelt Seilsicherungen. Einzige Sicherung waren unsere Steinschlaghelme, da viele Gämsen und Steinböcke auch über uns unterwegs waren. Der Schluchtaufstieg zum Gipfel erforderte immer wieder leichte Kletterei bis zum Grad II, an einer kurzen Passage im unteren Grad III kam dann sogar das Kletterseil zum Einsatz, um die Teilnehmer hochzusichern. In der Schlucht, wo die Sonne nicht überall schien, lag doch noch einiges an Schnee, was die Feinorientierung schwieriger machte, da es kaum Markierungen gibt. Dem Zeitplan hinterherhinkend kamen wir relativ spät am Gipfel an, leider beeinträchtigten Nebelfetzen die Sicht. Für den Abstieg wählten wir den sogenannten Leiterweg. Über eine 60 mtr hohe Leiter, die nicht starr befestigt ist, ging es schwankend senkrecht nach unten. Auf Grund des doch noch reichlich vorhandenen Schnees, vor allem in Rinnen und Mulden, war es schon spät, als wir aus den Felsen ausstiegen. Ursprünglich wollten wir nach dem Abstieg vom Montasch mit dem Auto zu einer Talherberge im Triglav-Nationalpark fahren, da wären wir allerdings erst spät nachts angekommen. Wir hatten keinen oder nur schlechten Handyempfang, aber irgendwann klappte es dann doch, dass ich die Talherberge stornieren und auf der Brazza-Hütte eine weitere Nacht buchen konnte. Diese erreichten wir, als es bereits dunkel war. Da die Wirtsleute nicht mit uns gerechnet hatten, waren die Essensvorräte nicht aufgefüllt worden. Trotzdem kreierten sie uns wieder ein leckeres Essen. Nach einem langen und anstrengenden Tourentag gönnten wir uns schnell ein Feierabendbier, bevor es ab ins Bett ging.

Mittwoch, 29.August: Nach dem Frühstück stiegen wir zum Auto ab und fuhren los in Richtung Slowenien. Unser Anhängsel aus Teublitz nahmen wir auch noch mit bis Sella Nevea. Werner fuhr voraus, plötzlich setzte er den Blinker und fuhr auf einen Parkplatz. Pinkelpause? Nein, rechts blinkte der Lago del Predil herauf. Die Waschgelegenheiten auf der Brazza-Hütte waren ja recht spartanisch, da gönnten wir uns, mangels Badesachen im Adamskostüm, ein erfrischendes Bad, das allerdings in dem sehr kalten Wasser doch sehr kurz ausfiel. Weiter ging die Fahrt nach Slowenien, an Kranjska Gora vorbei zur Aljazev Dom v Vratih (1015 m) am Fuß des Triglav. Dom ist das slowenische Wort für Hütte. Es war bereits 13 Uhr, als wir uns an den Aufstieg zur Dom V Stanica machten. Wir wählten den Tominsekweg, der als Klettersteig deklariert ist und dann auch über längere Strecken Drahtseilversicherungen auswies, wodurch endlich unsere Klettersteigausrüstung zum Einsatz kam. Die 1300 zu überwindenden Höhenmeter ließen uns auf unsere Reserven zurückgreifen und ich überlegte, ob man nicht doch das eine oder andere Ausrüstungsteil sich hätte sparen können. Endlich tauchte das Stanic-Haus (2332 m) vor uns auf, ein anstrengender und kräftezehrender Aufstieg lag hinter uns. Eine sehr freundliche Hüttenwirtin hieß uns willkommen und überraschte uns mit einem kräftigen und guten Abendessen. Nur fünf weitere Gäste waren auf der Hütte und wir hatten ein großes Lager für uns allein. Wir hatten dem Stanic-Haus den Vorzug vor dem Triglav-Haus gegeben. Dieses liegt zwar näher am Triglav, hat aber nicht den besten Ruf und ist oft überfüllt. Da der Aufstieg auf den Triglav nicht allzu lang ist, gaben wir dem eine Stunde entfernten Stanic-Haus den Vorzug, was sich als gute Wahl erwies. Einziges Manko war die Outdoor-Waschgelegenheit am Nebenhaus, natürlich nur mit kaltem Wasser. Der Waschraum in der Hütte wurde erst um 21 Uhr geöffnet, in der Früh um 6 Uhr wurde er wieder zugesperrt. Was soll’s, wir waren auf einem Schutzhaus und nicht im Hotel einquartiert. Nachts pfiff der Wind um die Hütte und wir hörten den Regen gegen die Fensterscheiben prasseln, auch war es sehr kalt. Ich weiß nicht mehr, wer auf die Idee kam, die Fenster offen stehen zu lassen.

Donnerstag, 30. August: Beim Blick aus dem Fenster war alles grau in grau und leichter Regen fiel. Dafür war ausnahmsweise sogar der Waschraum in der Hütte aufgesperrt. Mit einem opulenten Frühstück mit Spiegeleiern mit Schinken, Omelett mit Käse und Brot, Butter und Marmelade wurden wir etwas entschädigt. Dann machten wir uns auf Richtung Triglav, zum Teil mussten wir auch wieder durch Schnee stapfen. Je näher wir dem Triglav-Haus kamen, desto besser wurde das Wetter, es zeigten sich immer wieder kleine blaue Flecken am Himmel. Am Triglav-Haus angekommen waren wir uns einig, dass wir Gott sei Dank nicht hier übernachtet hatten. Es tummelten sich sehr viele Bergsteiger, die Hütte machte auch nicht den saubersten Eindruck. Eineinhalb Stunden sollten es zum Gipfel des Triglav noch sein, wir durften uns heute also etwas Zeit lassen. Der Aufstieg auf den Triglav ist ein leichter Klettersteig und sehr gut mit einem durchgehenden Stahlseil versichert. Der Kleine Triglav, über den unser Weg führte, wird im Volksmund wegen der übermäßig vorhandenen Sicherungen auch das Stachelschwein genannt. Der Regen hatte schon lange aufgehört und die blauen Flecke zwischen den Wolken wurden immer größer. Leider riss es bis zum Triglav nicht ganz auf, wodurch uns der Blick zur Adria leider verwehrt blieb. Der Triglav ist mit 2864 m der höchste Berg Sloweniens. Für jeden Slowenen ist es ein Muss, einmal auf dem Triglav zu stehen. Auch viele Kinder waren unterwegs. Am Gipfel steht eine kleine runde Blechdose, die notdürftig vier Personen Unterstand bietet. Die Slowenen, die das erste Mal auf dem Triglav stehen, lehnen sich dagegen und werden dann mit Bandschlingen ‚ausgepeitscht‘. Nach dem Abstieg entschieden wir uns dann wegen drohender dunkler Wolken, direkt zum Stanic-Haus zurückzugehen. Wir kamen aber trotzdem trockenen Fußes an und konnten den Gipfeltag zufrieden bei Kaffee und Kuchen ausklingen lassen. Als Dreingabe gab es dann noch einen mystisch anmutenden Sonnenuntergang zwischen Wolken und Nebelfeldern.

Freitag, 31. August: Die Nacht war wieder sehr kalt, irgendjemand war erneut auf die Idee gekommen, die Fenster offen stehen zu lassen!!! Nach reiflicher Überlegung kam ich zu dem Schluss, dass wieder ich dieser ‚jemand‘ gewesen sein muss. Der Waschraum war wieder aufgesperrt, da es regnete. Zum Abstieg wählten wir den Pragweg. Dieser ist zwar auch als Klettersteig ausgewiesen, auf dem kompletten Weg gibt es allerdings nur sehr wenige Stellen, an denen ein Stahlseil angebracht ist. Ansonsten sind sehr viele Eisenstifte als Tritt- und Griffhilfe angebracht, wo man sich jedoch nicht mit dem Klettersteigset selbst sichern kann. Absolut sauberes Steigen war erforderlich, vor allem wegen der Nässe. Irgendwann hatten wir auch diesen langen und wegen der nötigen Konzentration auch anstrengenden Abstieg hinter uns gebracht. Wir stärkten uns noch im Aljazev Dom und traten dann die Heimfahrt an. Die Ankunft in Amberg war dann spät in der Nacht, 2 ½ h Wartezeit an der Grenze bei Salzburg forderten ihren Tribut.

Fazit: Die Julischen Alpen sind landschaftlich mit ihren tief eingeschnittenen Tälern sehr sehenswert, die Tierwelt am Montasch beeindruckend. Es handelte sich um eine sehr alpine Tour, bei der der komplette Bergsteiger gefragt war. Es war anstrengend und sehr anspruchsvoll, aber schön war’s.

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