Tourenbericht: Kampermauer, alpines Mehrseillängenklettern in Oberösterreich

Mittwoch, 25. Mai bis Samstag, 28. Mai 2022

Geplant waren vier Tage; dem Wettergott aber gefiel es, unserem Häuflein nur 2 Tage Kletterspaß an der Kampermauer an der Grenze Oberösterreich/Steiermark zu gewähren. Was wir aber aus diesen Tagen machen würden, das würde allein in unserer Hand liegen. Wir, das waren Helmut Weber, Stefan Irlbacher, Thomas Ratzke (der „Kleine“) und Rudi Bothner.

Mittwoch Abend quartierten wir uns bei Renate Weißensteiner in Unterlaussa ein. Die Pension einfach, schöne Zimmer und eine urgemütliche Wirtin. Bei der Anfahrt mussten wir bereits zur Kenntnis nehmen, dass die Kampermauer, das Objekt unserer klettersportlichen Begierde, vor Nässe trieft. Da hatte uns der Wetterbericht aber deutlich bessere Aussichten versprochen. Am Donnerstag, nach künstlich ausgedehntem Frühstück, dann Bestandaufnahme vor Ort, direkt an der Wand: Ein Riss im unteren 6. UIAA-Grad, der „Piazweg“, müsste trotz einiger nasser Passagen zu machen sein und auch knapp rechts daneben, Riss mit Ausstiegsplatte im oberen 6. Grad, die „Palatschinke“ könnte gehen. Einklettern ist nicht – von den Vorsteigern wird sofort voller Einsatz und in den Feuchtstellen der Risse eine solide Klemmtechnik verlangt. Die gute Absicherung und das entsprechende Können der Vorsteiger gewährleisten sicheres Emporsteigen. Allen Teilnehmern gelingt der Durchstieg. Ob irgendeiner einen oder zwei kleine Hänger hatte, habe ich schon wieder vergessen. Mittags wühlt sich die Sonne durch die Wolken, die Wand trocknet zusehends ab. Helmut und Thomas haben sich als Pärchen gefunden und steigen in die „Hermeline“ ein. 175 Meter Kletterlänge und der untere Sechser sind geboten, die Absicherung in den Viererlängen komfortabel. Seltsamerweise finden sich in der Schlüsselseillänge die weitesten Abstände bei heikler Plattenschleicherei und mit seichten Auflegern im Griffangebot. Durchziehen und Durchreißen ist nicht.

Stefan und Rudi geben sich die „Vegetarierkante“. In ebenfalls 175 m Kletterlänge wird nur ein schwacher Fünfer verlangt. Dafür gibt es keinerlei Haken als Zwischensicherungen, nur an den Ständen glänzt es silbern. Die Route wurde vor Jahren wegen Überbeanspruchung von lokalen Bergführern ausgenagelt – die Orientierung ist aufgrund der fehlenden Hakenlinie nicht ganz einfach.

Freitag, Klettertag Zwei: Helmut und Thomas haben sich für die „Superdiagonale“ verabredet. 300 Meter Kletterlänge, kaum eine Seillänge unter Fünf plus; die Schlüsselpassage ist noch feucht, dafür aber im 6. Grad angesiedelt. Eine Linie, die auch sehr gut in den Wilden Kaiser oder ins Wetterstein passen würde. Beide Matadore klettern bzw. kletterten in ihren guten Tagen schon mal Achter, müssen heute aber alles auspacken, um die Route in einwandfreiem Stil hinzubringen. Aber was anderes hätten wir auch gar nicht akzeptiert. Stefan und Rudi gönnen sich erst mal die „Hermeline“. Wir gehen in Wechselführung, haben uns die Route aber so eingeteilt, dass die Schüsselseillänge an mich fällt. „Mann oh Mann!“, war das wackelig. Ich muss unbedingt an meiner Tritttechnik und an meinem Gleichgewichtsgefühl arbeiten. Über die Abseilpiste und mittels 60 Meter langen Doppelseilen geht’s „ruckizuck“ zurück zum Einstieg. Was tun? Helmut und Thomas werden noch längere Zeit beschäftigt sein. Wir dagegen entscheiden uns, die „Wasserfallkante“, 190 m, V plus, dranzuhängen. Das Einstiegsüberhänglein fordert schon mal etwas Bizepspower, lässt sich aber mit einem kurzen Rechtsschlenker entschärfen. Dann würde die Route mittels Quergang nach rechts abbiegen. Aber direkt über uns lockt eine überaus steile, dolomitige Rissverschneidung. Sie ist durch eine Vielzahl mattierter, kleiner Bühler perfekt abgesichert. Das müssen wir uns näher ansehen! Der Fels ist absolut rau, keine einzige speckige Passage. Mit viel Einsatz, einer noch brauchbaren Klemmtechnik auf Finger, Hand und Faust und einem passablen Bewegungsgefühl gelingt die Begehung im „Onsight“. Zwei Bühler bilden den Abschlussstand und wiederum geht’s mit unseren Doppelseilen Richtung Tal.
Samstagfrüh dann die Ernüchterung: Es gießt aus allen Rohren. Die Überlegung, mit einem Wandertag die Regenphase zu überbrücken, wird angesichts der massiven Wolkendecke schnell verworfen. Rechnung bezahlen und heim an die Felsen der Oberpfalz und Frankens. Der Schlusssatz stammt von Stefan Irlbacher: „Ja, das war ein echt schönes Wochenende. Eine absolut nette Truppe. Da fahre ich gerne mal wieder mit.“
Nüchternes Fazit: 2 Tage, 4 Kletterbuben am Fels, 920 Klettermeter, Schwierigkeiten bis zum oberen 6. Grad.